Bedrohtes Gut
Ich lese derzeit wieder einmal ein Jugendbuch, dass ich vor einem Jahrzehnt gelesen habe, und mir nun noch einmal zu Gemüte führe, was mich denn so geprägt hat.
Es ist Der Brief für den König von Tonke Dragt, ein echter Ritterroman. Es steckt voller einfacher Wahrheiten, voller Wahrheiten, die jeder denkt und keiner sich zu sagen traut. Dass das Gute auch meistens gut aussieht, dass weiß weiß ist und schwarz schwarz, ist so eine simple Wahrheit.
Natürlich würde ich über diesen Roman nicht schreiben, würde er nicht eine Reihe guter monarchistischer Gedanken vertreten, aber heute fiel mir etwas anderes ins Auge.
Da ist der Hofnarr des Königs Unauwen, der auf dem Marktplatz eine Rede hält. Erst kurz zuvor hat der Ritter Tiuri, die Hauptperson des Romans, die Nachricht überbracht, dass das Reich von Verrat und Krieg bedroht wird. Die Menschen sind unruhig.
Und da sagt der Narr: "Schaut Euch um und sagt mir: Ist die Stadt heute nicht schön? Ihr könnt sogar merken, dass sie schöner ist als sonst. Das kommt daher, daß ihr spürt, daß sie vielleicht in Gefahr ist. Erst wenn etwas bedroht ist, so begreift man, wie lieb es einem ist..."
Ich musste das Buch erst einmal zur Seite legen. Denn mir ging eines auf: Dass all die Zuwendung, ja ich möchte sagen die Liebe, die ich in den letzten Jahren zu meinem Land entwickelt habe, daher rührt, dass mir seine Bedrohung umso deutlicher und schmerzlicher bewusst wurde. Bin ich früher achtlos an den Kulturschätzen, aber auch an den Menschen vorbeigegangen, so hat sich das nun gewandelt. Weil ich die Bedrohung - die mehr von innen als von außen kommt - sehe ich den Wert des Bedrohten.