Dienstag, 30. Oktober 2007

Das Absurde als "ultima ratio regis"

Heute veröffentlicht die FAZ die Rede Martin Mosebachs zur Verleihung des Georg-Büchner-Preises. Diese ist wirklich "legendi", eine "zu lesende". Natürlich nicht wegen des gekonnt eingesetzten Himmlerzitates. (Solche Zitate sollten mittlerweile als rhetorisches Stilmittel in die literarischen und rhetorischen Handbücher Eingang finden.) Sondern weil Mosebach die Geistesverfassung unserer Zeit so treffend beschreibt.

Ich möchte diese Rede nun gar nicht kommentieren. Jeder knappe Kommentar wäre zu sehr Reduktion, als dass er Sinn machen würde. Stattdessen lieber die Aufforderung, diese Rede zu lesen.

Gottesgnadentum und christliche Monarchie

Seit einiger Zeit ist der Postillion wieder aktiv und seine Beiträge verdienen es, gelesen und beachtet zu werden. Anlässlich seines jüngsten Skriptums zum Thema Kirche und Staat habe ich ihm einen Kommentar hinterlassen, den ich an dieser Stelle auch meiner Leserschaft zur Verfügung stellen möchte.

Lieber Postillion,

ich lese mit Freude alle Ihre Beiträge zur Staatstheorie. Als christlicher Monarchist bin ich natürlich nicht in der Lage, ihren Fundierungen in jedem Fall zuzustimmen. Doch sie sind auf jeden Fall eine Bereicherung, u.a. weil sie mir zeigen, dass nicht nur im theistischen, sondern auch im pantheistischen Weltbild die Monarchie die natürliche Staatsform ist.

Nach diesem zunächst grundsätzlichen Wort, dass Ihnen auch zeigen möchte, dass der "Rufer in der Wüste" nicht ganz ungehört ruft, nun zum vorliegenden Text über Kirche und Staat, der mir viele Anknüpfungspunkte für einen Dialog bietet.

Das Verhältnis von Kirche und Staat ist wie so gut wie jede Lehrfrage im Christentum als Paradoxon zu verorten. Wie Gott sowohl außer der Welt ist als auch sie durchdringt, wie Christus sowohl Gott als auch Mensch (homoousios) ist, wie in den Taten des Menschen sowohl Gottes Gnade alles bewirkt als auch ohne sein Tun nichts vollbracht wird, so verhält es sich auch mit Kirche und Staat.

Wenn man wirklich wagemutig ist, kann man die traditionelle Auffassung vom "Homoousios" als einer Person in zwei Naturen - Gott und Mensch - unvermischt und ungeteilt - auch auf Kirche und Staat anwenden. Und in diesem Sinne sind nun auch die von ihnen angeführten Bibelstellen, wonach die staatliche Autorität von Gott kommt (1. Petr. 2,13) sowie der Hinweis Jesu, sein Reich sei nicht von dieser Welt (Joh. 18,36).

Einen weiteren Punkt, den sie ansprechen ist die Auffassung, das Christentum sei eine Privatreligion. Nun, wir könnten uns lange darüber streiten, wodurch diese Auffassung, die heute viele Christen vertreten, seinen Einzug in das Christentum gehalten hat. Ich halte sie für ziemlich unbiblisch, sondern vielmehr aus dem Dunstkreis post-aufgeklärter protestantischer Theologie entstanden. Sie missachtet vor allem den Kontext, in den Jesus Christus gestellt ist. Er tritt auf als messianischer König, greift damit das jüdische Gottesgnadentum, welches wohl am reinsten im König David verkörpert wird, auf. Er ist Retter aus dem Volk, für das Volk und dann sogar für die Vielen [Völker].

Wie bringt man aber die Königsherrschaft Christi mit dem Gottesgnadentum zusammen. Sie haben angeführt, dass sich im Mittelalter kein wirkliches Gottesgnadentum entwickelt habe, sondern dass es dieses reduziert habe. Ich möchte nun keinen Streit über Begriffe anfangen, würde aber sagen, dass gerade das jüdisch-christliche Königtum die Bezeichnung Gottesgnadentum verdient, während das, was Sie als Gottesgnadentum bezeichnen, eher den Begriff Gottkönigtum verdient. Anders als in den fernöstlichen Monarchien, aber auch anders als im Umfeld Israels, sei es in Persien oder in Ägypten oder auch später in Rom, ist der Herrscher eben Gott. Er wird niemals hinterfragt, er wird verehrt.

Der jüdisch-christliche König hingegen ist nicht Gott, sondern vermutlich ein großer Sünder. Er hat keine Macht, er empfängt sie. Er ist eben "Rex Dei Gratia", König aus der Gnade Gottes. Und deswegen ist dieser König ein Reiter, einer der auf dem Pferde sitzend sein Volk aufsucht, der Recht spricht, der die Kranken heilt, kurz: der das Wohl seines Volkes zu erringen sucht. Er ist als Person die - seinem Stand entsprechende - sakramentale Verkörperung Christi. (So wie auch der Priester Christus verkörpert, wie sogar jeder Christ Christus verkörpert, durch die Gnade der Taufe und Salbung im Geist) Darin unterscheidet der christliche König sich vom fernöstlichen Gottkönig, der als sein Gegenpol - wie Sie im Sommer diesen Jahres schrieben - am besten regiert, wenn er nicht regiert (mir ist der Satz "Und die Welt kommt in Ordnung" noch sehr gut im Ohr geblieben.)

Philosophisch ist das Verhältnis von König und Gott am besten im Sinne der "Analogia Entis" des "Thomas von Aquin" zu verstehen. Diese besagt, dass alles, was im "Himmel" existiert, seine Entsprechung auf "Erden" findet. Diese Entsprechung ist aber keine Äquivalenz, keine Gleichwertigkeit, sondern eine Analogie, will sagen eine Ähnlichkeit, die durch eine noch größere Unähnlichkeit ergänzt wird. Diese Unähnlichkeit der menschlichen Königsherrschaft zum Königtum Gottes ist dem Historiker sattsam bekannt. Wir können sie - wie das Mosebach in seiner genialen Rede zur Verleihung des Büchnerpreises sagt - in der christlichen Lehre von der Erbschuld finden. Darum muss der christliche König, sollte er versagen, anders als sein fernöstliches Pendant den Henker fürchten, doch niemals wird darum die Idee des Königtums angetastet. Denn niemals glaubt der Christ, Macht sei etwas, was Menschen Menschen in die Hände geben. Es wird Zeit, dass sich die christliche Theologie dessen erinnert.

Mit besten Grüßen,
DerVasall

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